Unternehmensporträt Wikitude: Wenn Salzburger die Welt erweitern
Source: Presse 12.07.2017
ALC 2017 Die Salzburger IT-Firma Wikitude bringt Magazincover und Werkshallen zum Leben. Die Konkurrenz wächst. Riesen wie Apple entdecken die Augmented Reality für sich.
Salzburg. Exakt vor einem Jahr sah man in Österreich plötzlich Menschen, die mit ihren Smartphones virtuelle gelbe Monster durch Parks jagten. Wer bis dahin nicht mit der Mischung aus virtueller und realer Welt – der Augmented Reality – in Berührung gekommen war, tat es spätestens mit dem Start des Handyspiels „Pokémon Go“.
Die Technologie dahinter wurde bereits 2008 vom Salzburger IT-Studenten Philipp Breuss entwickelt. Auf einem Urlaub hatte er den Einfall, Einträge aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia für die Orte anzuzeigen, an denen man sich aufhält. Alles recht simpel für heutige Verhältnisse. Der Name Wikitude blieb aber. Nach kurzer Zeit hatten 30 Millionen Menschen die App auf ihr Handy geladen. Aber Geld verdiente Wikitude noch keines.
Ein Baukasten für alle
„Das einschneidende Erlebnis kam 2011“, sagt CEO Martin Herdina. Die Olympischen Spiele in London klopften bei der Salzburger Firma an. Sie wollten von ihr einen virtuellen Reiseführer durch das Olympische Dorf haben. Herdina drehte das Geschäftskonzept daraufhin um 180 Grad: Er verwarf die Idee einer Wikitude-App, die selbst die gesamte Welt mit virtuellem Leben füllt. Stattdessen lässt die Firma seitdem die anderen mit ihrem Baukasten arbeiten. 100.000 Entwickler verwenden ihn heute für ihre Systeme. Mit den Lizenzen verdient das Unternehmen mittlerweile mehr als drei Mio. Euro. Heuer erwartet es erstmals Gewinne.
Aber die Riesen der IT-Branche schlafen nicht. Da die Technologie durch „Pokémon Go“ weltweite Aufmerksamkeit bekam, beeilen sie sich mit ihren eigenen Softwarelösungen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg kündigte im April große Investitionen in Augmented Reality (AR) an. Apple will im Herbst nicht nur das neueste iPhone, sondern auch gleich die passenden AR-Funktionen auf den Markt bringen.
Wikitude, das sich mit seinen 29 Mitarbeitern selbst als technologischer Weltmarktführer bezeichnet, will aber einen anderen Weg einschlagen: weg von dem einzelnen Smartphonenutzer, der am Handy spielt, hin zur Industrie.
Ikea lässt seine Kunden heute mit der Wikitude-Technologie Wohnzimmer testweise mit virtuellen Möbeln einräumen, Walmart schlichtet damit seine Regale, und das amerikanische „Time Magazine“ lässt Barack Obama in seiner Sonderedition wieder ans Rednerpult: Hält man das Handy über das Heft, beginnt der Ex-US-Präsident plötzlich seine Abschiedsrede am Korrespondenten-Dinner.
Die gestern präsentierte, neueste Softwareversion soll nun den Weg in die Werkshallen ebnen. Mit ihr erkennen Handys erstmals einzelne reale Objekte und verbinden sie mit virtuellen Komponenten. Mechaniker können dadurch an kilometerweit entfernten Autos Reparaturen vornehmen oder Wartungsanweisungen erteilen. „Wenn der Techniker von Andritz aus Graz nicht mehr nach Kolumbien fliegen muss, ist das ein eindeutiger Geschäftsfall“, sagt Wikitude-CTO Philipp Nagele. Fernwartungen würden zum großen künftigen Anwendungsfeld. 50 Prozent der Umsätze will er kommendes Jahr allein mit Industriekunden machen. Nagele ist sicher: Die Revolution wird sich in den nächsten Jahren vom einzelnen Handybesitzer unbemerkt hinter den Kulissen, in den Lagern und Werkshallen abspielen.
Herdina hält das Handy noch einmal auf das „Time“-Cover. Es wirbt mit dem Slogan: „Die Seiten erwachen zum Leben“. Wenn keiner mehr den sperrigen Begriff Augmented Reality verwendet, hat es die Technologie geschafft, sagt Herdina.